EuGH: Plattformen müssen bei Datenschutzverstößen der Nutzer ebenfalls haften
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in dieser Woche ein Urteil gefällt, das weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Dabei geht es darum, wer bei Datenschutzverstößen auf großen Plattformen haften muss – nur der Nutzer, der den Verstoß begeht, oder auch die Plattform, welche diesen zugelassen hat? Der EuGH sagt: Auch Plattformen tragen in solchen Fällen eine Mitverantwortung.
Konkreter Anlass war der Fall einer Frau, in deren Namen von einem Dritten eine Online-Anzeige geschaltet worden war. In der Anzeige wurden angebliche, sexuelle Dienstleistungen der Frau beworben – mit Fotos der Frau sowie ihrer Telefonnummer. Der Vorfall ereignete sich auf der rumänischen Anzeigen-Plattform Publi24 – vergleichbar mit etwa dem Amazon Marketplace oder eBay. Zwar folgte die Plattform innerhalb einer Stunde der Aufforderung der Frau, die Anzeige zu löschen, nachdem sie diese entdeckt hatte, doch nun kursierte sie bereits auf diversen anderen Websites.
Die Betroffene ging daher vor Gericht, denn sie warf dem Betreiber von Publi24, Russmedia Digital, einen Datenschutzverstoß vor. In erster Instanz bekam sie Recht, in zweiter dann wiederum nicht. Denn das Berufungsgericht stufte Russmedia hier nur als Hosting-Plattform ohne Verantwortung für die Nutzerinhalte ein. Man reichte den Fall jedoch zur Klärung an den EuGH, bevor endgültig entschieden werden sollte. Und der ist eben zur Ansicht gekommen, dass eine Mitverantwortung für datenschutzrechtswidrige Inhalte besteht, auch wenn diese von Nutzern eingestellt worden sind.
Online-Marktplätze haben grundlegende Pflichten nach der DSGVO
Russmedia sah sich zunächst fein aus und berief sich zuvor auf das Haftungsprivileg, welches in der E-Commerce-Richtlinie und dem Digital Services Act (DSA) für nutzergenerierte Inhalte festgehalten ist. Man verstand sich nur als technische Plattform. Doch die EU-Richter sahen das etwas anders. Die strittige Anzeige wurde zwar von einem Nutzer erstellt, letzten Endes aber durch die Plattform verbreitet. Da gebe es dann bestimmte Pflichten nach dem DSGVO.
Eine ausschlaggebende Rolle spielte an dieser Stelle, dass sich Russmedia in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen das Recht gesichert hatte, alle durch Nutzer veröffentlichten Inhalte gegebenenfalls auch selbst kommerziell zu nutzen. Das wurde dem Anbieter sozusagen zum Verhängnis. Das Urteil liefert auch eine Grundlage für andere Plattformen. Im Wesentlichen müssen Online-Marktplätze mit vergleichbaren Richtlinien im Ergebnis vor der Veröffentlichung einer Anzeige prüfen, ob diese sensible Daten enthält – wie beispielsweise eine Telefonnummer. Auch ist festzustellen, ob die Daten dann wirklich zur Person gehören, welche die Anzeige schaltet.
Sollte das nicht der Fall sein, muss die jeweilige Plattform prüfen, ob der jeweilige Nutzer das Recht für die Veröffentlichung hat. Ohne ausdrückliche Einwilligung sei keine Veröffentlichung möglich. Es kommt aber noch dicker: Die Betreiber sollen auch durch technische und organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass die Anzeigen nicht auf andren Plattformen weiterverbreitet werden. Das dürfte in der Praxis wohl oft schwierig werden.
Hosting-Anbieter erhalten mehr Verantwortung
Wie Netzpolitik berichtet, sei damit jetzt klargestellt, dass Hosting-Anbieter eine größere Verantwortung haben. Denn ihre Verantwortung beginnt nicht erst mit der Meldung eines Verstoßes, sondern bereits bei der Veröffentlichung der personenbezogenen Daten. Betroffen sind davon wohl auch große Social-Media-Plattformen. Auch diese sichern sich in ihren Nutzungsbedingungen umfangreiche Rechte an den Inhalten ihrer User. Verbreiten Dritte dann Inhalte, die gegen den Datenschutz verstoßen, können sie ebenfalls drangenommen werden.
Ein Beispiel, für welches das EuGH-Urteil wegweisend sein könnte: Derzeit kursieren auf Plattformen wie YouTube immer wieder betrügerische Werbeanzeigen mit KI-Fakes von Prominenten zu vermeintlichen Anlagetipps bzw. zum Vermögensaufbau, die jedoch nur zu Scam führen. Das ist mir auch selbst schon etliche Male begegnet – Meldungen an die Plattformen helfen nach meiner Erfahrung null. Doch auch dafür könnten dann die Plattformen eben jetzt zur Verantwortung gezogen werden. Vielleicht führt das ja dazu, dass das Problem ernster genommen wird.
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Nja dann streichen die Plattformen ihr Nutzungsrecht und sind wieder raus ;-p
Die Entscheidung klingt erstmal gut. Doch in der Praxis bedeutet das nun noch mehr Überwachung und irgendwann kommen wir noch dahin, dass man nur noch mit eID Verifikation und Klarnamen online posten darf.
Hallo Michael,
hätte ich persönlich kein Problem mit.
Mein name hier ist mein echter Vorname, klar „Andreas“ ist wie „Michael“ nicht gerade selten aber wer mich kennt erkennt mich vielleicht irgendwann an einigen Dingen die ich so nebenbei über mich erzähle wieder.
Und es würde helfen haßrede, Beleidigung, Diffamierungen und Schlimmeres aus dem Netz weitgehend fernzuhalten.
Das wäre die gute Seite der medaille – mit offenem Visir ins netz gehen und zu dem stehen was man sagt und schreibt.
Du bist dir schon klar darüber, dass Menschen unter anderem auch deshalb anonym auftreten um sich genau vor Hass, Hetze und Anfeindungen zu schützen? Im Cancel-Culture eine in vielen Bereichen sinnvolle Maßnahme. Es reicht unter Umständen ein politisches Statement das nicht dem Zeitgeist entspricht oder unpopulär ist und zack riskiert man oder Frau vielleicht schon den Job oder muss miterleben wie die Kinder in der Schule beleidigt und schikaniert werden. Es reicht schon wenn du bestimmte Aspekte der Klimadebatte oder Transgenderdiskussion kritisch hinterfragst und siehe da sind es vor allem die vielen vielen „guten“ Menschen die dich an den Pranger stellen und öffentlich diffamieren. Du betrachtest das leider sehr naiv und einseitig.
Weniger einseitig ist Deine Betrachtungsweise aber auch nicht. Mindestens ebenso viele Menschen (vermutlich weit mehr) treten anonym auf, weil sie einfach nicht den A… in der Hose haben, zu Ihrer Meinung zu stehen, oder andere einfach nur angehen, aber nicht die ggf. daraus resultierenden Folgen tragen wollen. So gibt es auch hier, wie wohl fast immer, (mindestens) zwei Seiten.
Wobei deine Darstellung Behauptungen sind, die des Vorredners wohl persönliche Erfahrungen. Das heißt, du konstruierst dir deine Welt. Das ist völlig okay. Aber eben nicht gleichwertig als „zweite Seite einer Medaille“.
Oh man früher sagte man mir noch ich soll niemals was öffentlich über mich preisgeben im Internet und jetzt machen das die Leute sogar freiwillig.
„Und es würde helfen haßrede, Beleidigung, Diffamierungen und Schlimmeres aus dem Netz weitgehend fernzuhalten.“
Mal Facebook-Kommentare gelesen? da postet fast jeder mit vollständigem Klarnamen und oft noch öffentlicher Adresse. Helfen tut das gar nichts, lies auch bitte mal was der Chilling-Effect ist.
Ich könnte mir vorstellen, dass es hier vor allem um die Telefonnummer geht. Die lässt sich ja leicht vorab überprüfen.
Aber auch ganz einfach: Wenn sich eine Plattform per AGB die Inhalte seiner Nutzer aneignet, haftet sie eben auch dafür und das Haftungsprivileg entfällt. Das lässt sich ja grundsätzlich leicht umsetzen. Verzichtet sie darauf, ist eine kommerzielle Verwertung von Nutzerinhalten in Werbung und vielleicht auch KI-Training ausgeschlossen.
Richtig, hier gings primär um die privaten Daten, die ungeprüft veröffentlicht worden sind – also Fotos und die Telefonnummer. Und die Plattform wäre wohl tatsächlich aus der Nummer raus gewesen, hätte sie sich eben nicht zeitgleich das Recht zur kommerziellen Verwertung gesichert. Dadurch entfiel das Haftungsprivileg nach Ansicht der Richter.
Finde ich persönlich gut und richtig so.
>> Finde ich persönlich gut und richtig so.
Ja, wenn eine Plattform sich das Recht auf kommerzielle Verwertung der Beiträge ihrer Nutzer sichert, dann hat sich deren Inhalt vor einer Veröffentlichung auf Rechtmäßigkeit zu prüfen. Ich halte es auch für gut und richtig, die Plattform in die Haftung zu nehmen, wenn sie sich derartige Rechte sichert.
In Zukunft haftet dann auch der Autohersteller, wenn ich wegen zu schnellem Fahren geblitzt werde.
Wenn du die Geschwindigkeitswarnung des ADAS ignorierst oder das vom Fahrzeug, aufgrund der Verkehrszeichenerkennung gewählte Tempo überschreitest, bleibt das doch dein Problem. Der Fahrzeughersteller hat ja seine Möglichkeiten genutzt, um dich zu regelkonformer Nutzung des Fahrzeugs zu bewegen.
Ähnlich dürften es auch die Plattformbetreiber halten. Man bekommt bestimmte Warnungen und wenn man die übergeht, dann haftet man dafür. Die Plattformbetreiber sind somit gezwungen, die Inhalte vor der Veröffentlichung auf Verstöße zu prüfen und werden es an dich weiterleiten, wenn sie, trotz Warnung, in die Haftung genommen werden. Dafür muss der Plattformbetreiber selbstverständlich in die Lage versetzt werden, eine sichere Identifikation durchführen zu können. Anonyme Nutzung ist dann quasi unmöglich. Genau das ist es, was der Gesetzgeber erreichen will. Totale Überwachung.
Bei Leih- und Leasingfahrzeugen, bei denen der Nutzer nicht auch der Halter ist, werden die Knöllchen ja auch erst dem Halter zugestellt und der erklärt dann der Behörde, wer der Nutzer ist, der in die Haftung zu nehmen ist. Im Anhörungsverfahren kann der Nutzer dann alles Weitere klarstellen.